von Florian Bechert 1985, auf der Januar Consumer Electronic Messe wurde dann das "Tramiel-Wunder" präsentiert: ATARI stellte zwei neue Computerreihen vor. Zum Einen handelte es sich um die XE- Serie, einen auf dem 6502- Prozessor basierenden Computer, der dafür vorgesehen war, die XL-Serie zu ersetzen. Zum Anderen wurde, was noch verwunderlicher und bewundernswerter war, ein 16-Bit-Computersystem vorge- stellt - die ST-Serie. Betrachtet man nun aber, wie schlecht ATARI bis vor kurzem noch dastand, ist diese voll- brachte Leistung wirklich eine Helden- tat. Da die ST-Reihe die Macintosh- ähnliche Grafik-Benutzeroberflaeche GEM benutzte, wurde sie schnell "Jackintosh" genannt. Die voraussicht- lichen Erscheinungstermine sollten für den XE im Februar und für den ST im April sein. Die eigentliche Marktein- führung ließ aber für den XE bis zum April und für den ST bis zum Juli auf sich warten. Hiermit begann eine Tradition, die von ATARI bis heute fortgesetzt wird: die Markteinführun- gen werden immer wesentlich früher angekündigt als sie tatsächlich sind. Trotz all der vom ST erregten Furore, hatte das Händlernetz von ATARI nahezu aufgehört zu existieren, da viele ja schließlich mit ATARI in früheren Jahren einige Reinfaelle erlebt haben. Also diskutierte man nun über die Frage, wie man trotz aller Schwierig- keiten am Besten die neuen Systeme verkaufen könnte. Letztendlich machte ATARI allen ihnen bekannten ATARI- User-Groups folgendes Angebot: Sie nehmen schon im Voraus bevorzugt Bestellungen für den ST von den Clubs auf/an. Trotz aller offensichtlichen, damit verbundenen Risiken, waren viele User-Groups töricht genug, das Angebot anzunehmen. Nach langer Zeit wurden dann im Juli 1985 die ersten ST's ausgeliefert die meisten davon gaben allerdings sehr bald den Geist auf oder funktionierten erst gar nicht. Wie sich später herausstellte, waren nur die Chips in ihren Sockeln lose. Anstands- los wurden aber die fehlerhaften Maschinen ausgetauscht. Trotzdem blieb die Frage, warum sich auch nach diesem augenscheinlichen Reinfall immer noch so viele User Groups mit diesem Computer beschäftigen wollten. Zum Auslieferungsdatum stand man dann bei ATARI vor dem neuen Problem, daß fast keine Software außer dem Betriebs- system verfügbar war, und das war noch dazu auf Diskette und nicht, wie ursprünglich versprochen, im ROM. Streitereien zwischen ATARI und Digital Research, den Entwicklern von GEM, verzögerten die Auslieferung einer Reihe von Anwendungsprogrammen, die auch als "GEM - Softwaresammlung" bezeichnet wurden. Diese sollten auch GEM-Write und GEM-Paint einschliessen. Letztendlich waren aber mit einer gewissen Verzögerung eine auf den ST umgesetzte ATARIWRITER-Version, auch ST-WRITER genannt, und ein sehr mässiges Malprogramm namens "Neo" dann doch zu bekommen, wobei beides aus der Softwareschmiede von ATARI kam. Digital Researchs Software-Bemühungen für ATARIs ST endeten schliesslich ganz, als APPLE ihnen nahegelegt hatte, GEM so abzuändern, dass es der Macintosh- Oberflaeche weniger aehnlich sieht, andernfalls, so APPLE, sähe man sich im Falle eines Unterlassens gezwungen, gerichtliche Schritte einzuleiten. Und welches Softwareunternehmen legt sich schon gerne mit einem der grössten US-Computerhersteller an, der noch dazu dafür berühmt ist, daß sein Heer von Spitzenjuristen seltenst einen Fall für APPLE verliert. Dieser Vorfall war auch der Startschuss für eine Menge regelrechter "Gesetzesschlachten", die zu dieser Zeit die gesamte Software- Industrie erschüttern sollte. Trotz aller Schwierigkeiten kamen dennoch nach und nach neue Anwendungsprogramme heraus. Sicher werden sich heute noch viele an den spät und voller Fehler (bugs) erschienenen LOTUS 1-2-3-Clone VIP-Professional erinnern. Oder aber an "Wills" von Haba-Systems, einem Software-Paket, das darauf ausgelegt war, die Gedanken niederzuschreiben? (Was fuer ein Schmarrn....). Wirklich nützliche Software jedoch war bis Anfang 1986 auf dem heimischen markt nicht auszumachen. Doch an dieser Stelle wollen wir das naechste Mal fortfahren.